Coming home to Syria – Podiumsdiskussion sieht Hoffnungsschimmer in einer Schattenzone von Armut, purem Überleben und außergewöhnlicher Zivilcourage

Im Mittelpunkt der Podiumsdiskussion stand die Frage, unter welchen Umständen eine nachhaltige Rückkehr syrischer Bürger in ihr Land möglich wäre; hervorgerufen durch Umfragen, die zeigen, dass sich eine Mehrheit der Geflüchteten eine Rückkehr wünscht, sobald es die Umstände erlauben. Rana Khoury, Doktorandin der Northwestern University, bemerkte, dass dies nicht allein in Europa, sondern auch in Jordanien der Fall sei, wo lediglich 10% bleiben möchten, ungeachtet der bemerkenswerten Tatsache, dass die Mehrheit der Geflüchteten dort – wie auch im Libanon und in der Türkei – in urbanen Räumen und nicht in Camps leben.

In Syrien, wo sich derzeit 25% der Einwohner in völlig zerstörten Zonen aufhalten, existieren 85% der Gesamtbevölkerung unterhalb der Armutsgrenze. „Arme Menschen finden Zuflucht in den Behausungen anderer armer Menschen“, erläuterte Samuel Rizk, Direktor des Landesbüros Syrien des Regionalbüros der Arabischen Staaten beim Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP), der einen präzisen Einblick in das Dilemma gab, mit dem jegliche Unterstützung zum Wiederaufbau und Entwicklung momentan konfrontiert ist.

Die Teilnehmer waren sich einig, dass die politische Situation unvorhersehbar bleibt; während fünf Jahren Krieg habe das Land Jahrzehnte auf seinem Entwicklungsweg verloren. Zurückkehrende würden ihr Land möglicherweise nicht wiedererkennen, vermutete Prof. Bernhard Trautner, Entwicklungsexperte des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE) in Bonn, dessen Suche nach Parallelen zur deutschen Geschichte weniger erfolgreich war als sein bemerkenswertes Plädoyer für eine Einbindung der Partner, „die für die Eskalation verantwortlich waren“, in die Verantwortung für den Wiederaufbau.

Die Frage, wie dies erreicht werden kann, bildete den Kern der Debatte; auch mit dem Publikum, das auf hohem Niveau zur Diskussion beitrug. Erfahrende Akteure müssen sich von Wunschdenken verabschieden, wenn sie in dieser Situation vor Ort arbeiten. NGOs und religiöse Hilfsorganisationen, die mit ihrem Wissen über die Region einen großen Beitrag leisten, wandeln die eingespielten Wohltätigkeitsaktionen ab und realisieren gezielte Unterstützung und Nothilfe. Samuel Rizk verdeutlichte den finanziellen Aspekt mit dem Hinweis, dass es lediglich 20 Euro monatlich bedarf, um die materielle Existenz eines Menschen in seinem Heimatland zu sichern, während die administrativen Kosten für einen Geflüchteten in Europa um die 600 Euro monatlich und die Rückkehr in das Heimatland weitere 1000 Euro betragen. Dieses Argument stieß jedoch auf Kritik aus dem Publikum, da dies die Menschen in einer Art Sub-Proletariat ohne jegliche sozioökonomische Perspektive zementiere. Gleichzeitig akquirieren deutsche Entwicklungsagenturen bereits junge Fachleute zur Ausbildung als Führungskräfte für die Vorbereitung von Projekten, die dem Wiederaufbau ein freundlicheres Gesicht geben sollen. Humanitäre Hilfe muss derzeit, so scheint es, an erster Stelle stehen, wird jedoch, wenn überhaupt eine Entwicklung stattfindet, allmählich dominiert werden durch Investmentstrategien in Dienstleistungen und Infrastrukturen jeglicher Art.

Faten Goshn, Senior Fellow am Kolleg und Professorin für Internationale Beziehungen an der University of Arizona,  die diese Veranstaltung konzipiert hat, verglich die einstige Situation im Libanon mit der aktuellen Situation in Syrien. Sie fand bemerkenswert, dass die Syrer offensichtlich eine starke Identifikation mit dem sozialen und kulturellen Erbe ihrer Heimat bewahrt hätten. Goshn brachte auch den damals implementierten Lebanon Adoption Plan ins Spiel, der es nichtstaatlichen Akteuren wie NGOs oder Unternehmen zeitweise erlaubte, die Zentralregierung zu umgehen, um Entwicklungsprojekte zu lancieren, oft in Kooperation mit lokalen Partnern.

Doch der Wunsch nach kompromisslosem Handeln ist schwer zu umzusetzen. Selbst wenn Strukturen aufgebaut sind, wer würde sie aufrecht erhalten? Die diplomatische Strategie einer „parteiischen Vermittlung“ ("biased mediation"), also einem Einbezug der Aggressoren des Konflikts in den Friedensprozess, mag sehr wohl ihren Gegenpart in einer Art von „parteiischem Wiederaufbau“ finden, in den Partner mit schwierigen Vergangenheiten in der einen oder anderen Weise integriert werden müssen.

Michael Backfisch, politischer Redakteur der Funke Media Gruppe, der die Veranstaltung mit einem guten Sinn für inhaltliche Prioritäten und erkennbar eigener journalistischer Expertise in der Region moderierte, brachte die Schlussfolgerungen des Abends nüchtern auf den Punkt: „Hoffnungsschimmer hin oder her, wir sind weit entfernt von einem Wiederaufbau, geschweige denn einem Friedensvertrag."

Der 7. Käte Hamburger Dialogue war Teil der 38. Duisburger Akzente und wurde in Kooperation mit der Volkshochschule Duisburg durchgeführt.