Eine globale Woche für die Zukunft und der UN-Klimagipfel in New York

Die Fridays for Future-Bewegung hat für Freitag, den 20. September 2019, zu einem globalen Klimastreik aufgerufen. In Deutschland fällt dieser Termin mit der von der Bundesregierung angekündigten Vorlage eines Aktionspakets zum Klimaschutz zusammen. Darin sollen Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und zur Anpassung an seine Auswirkungen festgelegt werden, um die Erreichung der Ziele des Pariser Abkommens sicherzustellen. International gesehen ist der Klimastreik ein Teil der Globalen Woche für die Zukunft mit öffentlichen Aktionen zum Klimaschutzgipfel der Vereinten Nationen, der vom 21. bis 23. September in New York stattfindet.

UN-Generalsekretär António Guterres forderte die Staats- und Regierungschefs auf, konkrete, realistische Pläne vorzulegen, um "den Anstieg der Emissionen bis 2020 zu stoppen und die Emissionen drastisch zu senken, um bis Mitte des Jahrhunderts Netto-Null-Emissionen zu erreichen“. Der New Yorker Gipfel ist daher ein wichtiger Prüfstein für das Engagement der nationalen Regierungen, ihre im Pariser Übereinkommen festgehaltenen Zusagen zum Klimaschutz umzusetzen. Die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens ist auch das Hauptziel der Bewegung Fridays for Future. Die Globale Woche für die Zukunft bietet daher die Gelegenheit, aktuelle Forschungsergebnisse über die Erfolge und potenziellen Herausforderungen des spektakulären Aufstiegs dieser transnationalen Bewegung zu betrachten.

Fridays for Future hat, wie KHK-Co-Direktor Dirk Messner in einem Interview mit dem Spiegel erklärt, den Druck auf Parteien und die Regierung erhöht, Klimapolitik wieder in den Mittelpunkt ihrer Agenda zu rücken. Während Deutschland einst in Umwelt- und Klimapolitik führend war, sind es heute Länder wie das Vereinigte Königreich, die skandinavischen Länder und sogar China, die den klimapolitischen Fortschritt anstoßen. Was wir brauchen, so Messner, der sich auf einen aktuellen Bericht des "International Panel on Climate Change“ (IPCC) über Klimawandel und Land bezieht, ist eine Kombination aus technologischen Großprojekten und einem Umdenken hinsichtlich unserer Lebensweise.

An dieser Stelle setzen auch Fridays for Future an. Von Anfang an haben die Schüler*innenproteste die Forderung nach groß angelegten institutionellen und politischen Veränderungen mit der Forderung an alle verbunden, über ihren ökologischen Fußabdruck nachzudenken: Ist jeder Billigflug nötig? Gibt es Alternativen zum intensiven Fleischkonsum und zum täglichen Gebrauch leistungsstarker SUVs? Es ist diese Kombination aus politischen Forderungen und einer glaubwürdigen Veränderung des persönlichen Lebensstils, durch die Greta Thunberg als Leitfigur der Fridays for Future-Bewegung eine hohe und meist positive mediale Aufmerksamkeit erlangte.

Während der Impuls für Fridays for Future eindeutig aus dem dreiwöchigen Schulstreik von Greta Thunberg im August 2018 in Stockholm kam, verbreitete sich die Idee, die sich in Freitagsschulstreiks umwandelte, schnell in anderen Ländern. Eine Studie des Berliner Instituts für Protest- und Bewegungsforschung (IpB) berichtet, dass in Deutschland im Dezember 2018 die ersten kleinen Demonstrationen in Göttingen, Berlin, Kiel und Flensburg stattfanden. Bis August 2019 wuchs die Bewegung in Deutschland auf mehr als 600 Ortsgruppen an. Im Juni 2019 fand in Aachen eine internationale Demonstration mit dem Titel "Klimagerechtigkeit ohne Grenzen - Gemeinsam für eine Zukunft“ statt, die laut Polizei zwischen 10.000 und 20.000 Menschen anzog, während die Teilnehmerzahl nach Angaben der Organisatoren sogar 40.000 betrug (Bild).

Doch wer sind die Teilnehmer*innen der Bewegung? Laut der IpB-Studie hat sich Fridays for Future in Deutschland zu einer Basisbewegung von Schüler*innen entwickelt, in der junge Frauen besonders aktiv sind. Für viele der Teilnehmer*innen sind Fridays for Future-Aktivitäten ihr erstes bürgerschaftliches oder politisches Engagement "auf der Straße“. Persönliche Kontakte sind der wichtigste Weg zur Mobilisierung, während Eltern, politische Parteien oder Umweltorganisationen eine überraschend geringe Rolle spielen. Eine vergleichende Analyse von Fridays for Future in verschiedenen europäischen Ländern zeigt zudem eine signifikante Heterogenität. In Schweden besteht die Bewegung aus einem Bündnis zwischen jungen und älteren Menschen - Menschen zwischen 14 und 19 Jahren sowie Menschen über 65 Jahren sind dort die größten Gruppen innerhalb der Bewegung. In Deutschland hingegen ist Fridays for Future bislang vor allem eine Jugendinitiative.

Was erklärt die rasante Expansion und den Mobilisierungserfolg von Fridays for Future? Dieter Rucht und Moritz Sommer, die die IpB-Studie gemeinsam mit Sebastian Haunss und Sabrina Zajak verfasst haben, identifizieren fünf Faktoren, die die Mobilisierung der Bewegung förderten und stabilisierten:
 

  1. Nach Ansicht der Autoren ist der besondere Erfolg von Fridays for Future in Deutschland im Kontext von wissenschaftlichen Berichten mit deutlichen Warnungen, des Pariser Abkommens sowie der Verleugnung des Klimawandels durch Donald Trump zu sehen, die zu lebhaften und kontroversen öffentliche Debatten über das Engagement Deutschlands in der Energie- und Klimapolitik führten. Hinzu kamen lokale und nationale Umweltskandale wie der Dieselskandal und die geplante Rodung des Hambacher Forstes für die Braunkohleförderung, die zusätzlich öffentliche Diskussionen anheizten. Zudem darf auch nicht vergessen werden, dass Deutschland eine starke und gut organisierte ökologische Bewegung hat.
     
  2. Vor diesem Hintergrund stieß der Protest von Greta Thunberg auf große Resonanz unter den Schüler*innen in Deutschland. Die Medien, so Rucht und Sommer, waren fasziniert von der Geschichte einer Schülerin, die sich politischen und wirtschaftlichen Eliten widersetzt und sowohl bedächtig als auch beharrlich mit Erwachsenen auf Augenhöhe diskutiert. Ihre eigene Generation identifiziert sich mit ihr als junge Aktivistin, die sich kompromisslos, beispielsweise indem sie die Schule bestreikt, für ein Ziel einsetzt, das die gesamte Menschheit betrifft.
     
  3. Die Autoren heben auch hervor, dass die Bewegung von Anfang an ein spezifisches und klar formuliertes Ziel hatte, nämlich die internationale Gemeinschaft aufzufordern, ihr selbstgesetztes Ziel aus dem Pariser Abkommen umzusetzen, die globale Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Dies ist ein Ziel, das breite Unterstützung finden kann und Fragen der politischen und wirtschaftlichen Machtverteilung weitgehend ausklammert.
     
  4. Angesichts der Bottom-up-Entwicklung von Fridays for Future stellen Rucht und Sommer fest, dass sich eine relativ effektive und flexible Organisationsstruktur und Arbeitsteilung etabliert hat. Mithilfe sozialer Medien und unter Einbezug bestehender Schülerkomitees gelang es der Bewegung bisher, das schwierige Gleichgewicht zwischen einigen "öffentlichen Gesichtern“, die vor einem allgemeinen Publikum sprechen, und relativ breiten und integrativen Kommunikations- und Entscheidungsverfahren zu überwinden.
     
  5. Last but not least argumentieren die Autoren, dass Fridays for Future eine intelligente und effektive Mobilisierungs- und Medienkampagne hervorgebracht hat. So beschreiben Rucht und Sommer den Deutungsrahmen, in dem sich Fridays for Future bewegt, als „Mischung aus Katastrophenszenario und Rettungsmission“, d.h. die unumkehrbaren Folgen des Klimawandels und Politiken, die wirtschaftliche Interessen über den Klimaschutz stellen, auf der einen Seite und die Verantwortung junger Menschen, die Politik durch politisches Engagement zu beeinflussen, auf der anderen Seite.

Bislang ist es Fridays for Future gelungen, seine Autonomie zu bewahren und gleichzeitig Allianzen mit anderen Akteuren aufzubauen. Seit der Veröffentlichung ihrer Stellungnahme im März 2019 arbeitet die Bewegung eng mit Scientists for Future zusammen. Der "globale Klimastreik" am Freitag, den 20. September, zielt darauf ab, die Bündnisse weiter auszubauen, indem er alle Generationen zur Unterstützung der Ziele der Bewegungen aufruft. Eine Koalition von NGOs, Kirchen und Gewerkschaften hat sich zur Unterstützung zusammengeschlossen. In mehr als 400 deutschen Städten sind Demonstrationen geplant. Einige Unternehmen und Organisationen planen Aktivitäten, um am Freitag ein Zeichen für die Klimapolitik zu setzen. So ruft beispielsweise die Universität Duisburg-Essen an diesem Tag ihre Mitarbeiter*innen und Studierenden auf, umweltfreundliche Verkehrsmittel zu nutzen.

 

Sigrid Quack
Director

Deutsche Übersetzung Daniela Weißkopf


Webseiten, auf die im Text verwiesen wird:

https://www.un.org/en/climatechange/un-climate-summit-2019.shtml

https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/dirk-messner-kuenftiger-chef-des-umweltbundesamts-fordert-aenderung-des-lebensstils-a-1282647.html

https://www.ipcc.ch/site/assets/uploads/2019/08/SRCCL-leaflet.pdf

https://protestinstitut.eu/wp-content/uploads/2019/08/ipb-working-paper_FFF_final_online.pdf

https://protestinstitut.eu/wp-content/uploads/2019/07/20190709_Protest-for-a-future_GCS-Descriptive-Report.pdf

https://protestinstitut.eu/fridays-for-future-zwischenbilanz-eines-hoehenflugs/

https://www.scientists4future.org/stellungnahme/

https://www.uni-due.de/de/klima-zeichen.php