Grimalda, Gianluca, Alexis Belianin, Heike Hennig-Schmidt, Till Requate, and Marina V. Ryzhkova (2022). 'Sanctions and International Interaction Improve Cooperation to Avert Climate Change,' Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences 289, no. 1972 (April).
https://doi.org/10.1098/rspb.2021.2174 (paywall)
In einer neuen Studie wurde die Wirksamkeit von Sanktionen in einem Szenario mit kollektivem Risiko getestet, bei dem deutsche und russische Individuen in einem Kooperationsspiel zusammengebracht wurden. Die Idee dazu hatten zwei (inzwischen ehemalige) Stipendiaten des Zentrums, die ihr Fachwissen in experimenteller Ökonomie und ihr Interesse an der Modellierung des Verhaltensaustauschs zwischen Gruppen teilten. Die Ergebnisse wurden jetzt von Wissenschaftlern aus deutschen und russischen Forschungseinrichtungen in den jüngsten Proceedings of the Royal Society B veröffentlicht.
Gianluca Grimalda und Heike Hennig-Schmidt dachten dabei an die Bemühungen zur Vermeidung eines katastrophalen Klimawandels und stellten sich ein experimentelles Setting vor, das eine kollektive Aufgabe (sprich: die Eindämmung des Klimawandels) mit der Herausforderung eines kollektiven Risikos (sprich: eines potenziellen erheblichen Verlusts an eigenen Ressourcen) und der unklaren Wirksamkeit von Sanktionen verbindet. In Bezug auf Letzteres wurde in der Literatur ein Problem festgestellt: Sanktionen scheinen bei Ländern, die die Zusammenarbeit bestrafen, nicht zu funktionieren, was die Idee auslöste, sich an russische Wissenschaftler zu wenden. Die Versuchsteilnehmer wurden dann in Bonn, Kiel, Moskau und Tomsk rekrutiert.
Die Gruppen bestanden jeweils aus 6 Personen. Eine Versuchsbedingung testete eine deutsche (Bonn - Kiel) gegen eine russische (Moskau - Tomsk) Gruppenzusammensetzung. In diesen nationalen Bedingungen zeigten die Deutschen ein deutlich kooperativeres Verhalten als die Russen. Unter internationalen Bedingungen wurden Gruppen getestet, die aus drei russischen und drei deutschen Teilnehmern bestanden. Hier behielten die Deutschen der Studie zufolge ihr Kooperationsniveau bei. Die Russen passten sich diesem kooperativen Verhalten schnell an - allerdings nur, wenn ein Mechanismus der Bestrafung ("Sanktionen") vorhanden war. Die Erwartung und Erfahrung einer kollektiven Bestrafung ("Sanktionen") führte zu einer verbesserten Kooperation. Die Autoren betonen, dass in einem anderen internationalen Umfeld ohne dieses Element in der Versuchsanordnung keine solche Anpassung beobachtet wurde. Hennig-Schmidt erklärt, wie in der Versuchsanordnung Anreize für (monetäre) Beiträge zum kollektiven Wohl geschaffen werden und gleichzeitig der potenzielle persönliche Verlust im Falle des Scheiterns deutlich gemacht wird:
Alle Mitglieder der Gruppe sind dem Risiko ausgesetzt, dass sie persönlich verlieren, wenn sie kollektiv nicht erfolgreich sind. Die Instruktionen sagten klar und deutlich: Wenn ihr es nicht schafft, das Kooperationsziel zu erreichen, besteht die Gefahr, dass ihr 75 % eures Gewinns verliert.
Sie erinnert auch daran, wie dieses Experiment konzipiert wurde, um die mögliche Rolle von Vorurteilen wie nationalen Stereotypen zu erhellen.
In den offenen" Bedingungen sagten wir den Teilnehmern, dass sie mit Deutschen bzw. mit Russen spielen würden. In einer anderen 'blinden' Bedingung sagten wir ihnen nur, dass sie mit Personen aus einem anderen Land spielen würden - und die meisten Teilnehmer gaben später an, dass sie sich die andere Universität in ihrem eigenen Land vorstellten. Obwohl es im Allgemeinen keine signifikanten Unterschiede zwischen offenen und blinden Bedingungen in Bezug auf die Zusammenarbeit gab, wurde das gleiche Muster von Unterschieden zwischen internationalen und nationalen Behandlungen und in der Wirkung der Einführung von Sanktionen beobachtet
Dieser Artikel beweist erneut, was die Käte Hamburger Kollegs waren und sind: ein 'Denkfreiraum' für exzellente geisteswissenschaftliche Grundlagenforschung an vielen deutschen Universitäten. Quantitative Forschung trägt einen unverwechselbaren Blick und Einblick in den Werkzeugkasten eines Methodenpluralismus bei, wie er z.B. von der aktuellen internationalen Praxisforschung gefördert wird. Die experimentelle Wirtschaftswissenschaft teilt mit der Praxisforschung das Interesse an beobachtbarem Verhalten, an Praktiken und Verfahren. Diese Forschung modelliert Verhalten unter kontrollierten Laborbedingungen. Dabei kann man an andere experimentelle Settings wie Moot Courts denken. Verhandlungen zwischen Teilnehmern mit unterschiedlichem kulturellem Hintergrund sind ein weiterer Forschungsbereich, in dem die experimentelle Ökonomie ebenfalls fruchtbare Ergebnisse hervorgebracht hat. Die neue Studie, die von Grimalda und Hennig-Schmidt initiiert wurde, trägt zu dieser Forschung bei.
Gianluca Grimalda fasst die Intentionen und Ergebnisse des Artikels wie folgt zusammen:
Der Klimawandel ist eine gewaltige globale Herausforderung. Die Aussichten auf eine globale Zusammenarbeit scheinen jedoch durch den engstirnigen Charakter der menschlichen Psychologie vereitelt zu werden. In unserer experimentellen Studie interagieren Gruppen deutscher und russischer Teilnehmer in Echtzeit, um die Aussicht auf einen schweren Verlust auf ihren Geldkonten abzuwenden, eine Situation, die die Bedrohung durch den Klimawandel nachahmt. Entgegen der pessimistischen Vorhersage des Parochialismus erweist sich die internationale Zusammenarbeit als vorteilhaft. Russen, die in nationalen Interaktionen wenig kooperieren, nähern sich schnell dem höheren Kooperationsniveau der Deutschen an. Sanktionen sind wichtig, um dieses Ergebnis zu erreichen, was die aktuellen Entwicklungen in der internationalen Politik unterstützt.
Martin Wolf
Authors' Abstract
Imposing sanctions on non-compliant parties to international agreements is advocated as a remedy for international cooperation failure. Nevertheless, sanctions are costly, and rational choice theory predicts their ineffectiveness in improving cooperation. We test sanctions effectiveness experimentally in international collective-risk social dilemmas simulating efforts to avoid catastrophic climate change. We involve individuals from countries where sanctions were shown to be effective (Germany) or ineffective (Russia) in increasing cooperation. Here, we show that, while this result still holds nationally, international interaction backed by sanctions is beneficial. Cooperation by low cooperator groups increases relative to national cooperation and converges to the levels of high cooperators. This result holds regardless of revealing other group members' nationality, suggesting that participants' specific attitudes or stereotypes over the other country were irrelevant. Groups interacting under sanctions contribute more to catastrophe prevention than what would maximize expected group payoffs. This behaviour signals a strong propensity for protection against collective risks.
Korrespondierender Autor

Dr Gianluca Grimalda
Alumni Senior Fellow GCR21
Kiel Institute for the World Economy (ifw)
Co-Autor*innen

Dr Heike Hennig-Schmidt
Alumni Senior Fellow GCR21
BonnEconLab
Dr Alexis V. Belianin
Higher School of Economics, Moscow
Prof. Dr. Till Requate
Christian Albrechts University of Kiel
Dr Marina Ryzhkova
Tomsk Polytechnic University