Neue Perspektiven im Völkerrecht: W.G. Werners 'Repetition' veröffentlicht

Wouter G. Werners grundlegende Studie untersucht die Rolle der Wiederholung im internationalen Recht und stützt sich dabei auf Erkenntnisse aus Philosophie, Religionssoziologie, Theater und Film. Er stellt uralte Probleme der Lehre neu dar, bewertet den Einsatz von Moot Courts in der juristischen Ausbildung und entdeckt die Verbindungen zwischen internationalem Strafrecht und Dokumentarfilm.

Wouter Werner, ehemaliger Forschungsstipendiat des Kollegs und inzwischen Mitglied des wissenschaftlichen Beirats, ist Professor für Völkerrecht an der juristischen Fakultät der VU Amsterdam. Er ist es gewohnt, mit Understatement ungewohnte Perspektiven einzubringen, und es sind die scheinbar langweiligen Dinge, die seine Aufmerksamkeit wecken und zu Interpretationen und Hinterfragungen führen, die am Ende Leser und Publikum begeistern.

Wie kann man zum Beispiel aufhören zu lesen, wenn ein Buch so beginnt:
 

Ein Buch zu beginnen, so argumentiere ich im dritten Kapitel, bedeutet, einen paradoxen Akt zu vollziehen. Es gibt immer einen Vorlauf zum Anfang, eine Geschichte vor der Geschichte des Anfangs. (3)

Ausgehend von seinem Interesse an den performativen Aspekten juristischer Verfahren hat sich Werner eingehend mit internationalen Gerichten und deren Darstellung im Dokumentarfilm beschäftigt. Techniken aus Theater und Ritualen sind ein Depot, ein Paralleluniversum gegenüber vielen Techniken, die bei institutionellen Settings im internationalen Recht zu beobachten sind. Moot-Court-Trainings kommen einem leicht in den Sinn.  Kein Wunder - oder doch? - dass Becketts Godot die Neugierde des Autors geweckt hat und einen guten Ausgangspunkt für die Wiederholungsforschung darstellt: "Godot war schon immer da".

Werners Monographie gibt tiefe und neue Einblicke in institutionelle Mechanismen und Selbstverständnisse. Sie führt auch zu einer neuen Perspektive auf Fragen der Legitimationstechniken. Aber, wie Werner betont, geht es in seiner Argumentation nicht in erster Linie um die Wiederholung selbst. In einem spannenden Absatz in seiner Einleitung ist von "Wiederholung und dem 'Etwas'" die Rede:
 

Dieses Buch konzentriert sich speziell auf Praktiken der Wiederholung, wie sie im internationalen Recht vorkommen. Meine Absicht ist es jedoch nicht, über jede mögliche Praxis der Wiederholung im internationalen Recht zu schreiben. Der Schwerpunkt dieses Buches ist eher spezifisch. Es untersucht Kontexte, in denen Wiederholung in Bezug auf etwas stattfindet, das abwesend, unerreichbar oder unaussprechlich ist. (8)

Seiner Ansicht nach kann dies als dialektische Beziehung zwischen einer Praxis und dem Abwesenden verstanden werden. Hier kommen Wissensstrukturen - und wissenschaftliches Wissen - ins Spiel. Werner wendet sich Kierkegaards Verständnis des Erinnerns als eine Form der "Wiederholung rückwärts" zu. "Unter diesem Begriff der Wiederholung wird die Gegenwart real, weil sie zu einer Instanziierung der Vergangenheit wird" (10, Werner bezieht sich auf Stephen Crites). Strategien der Legitimation - oder De-Legitimation - scheinen hier ihren Ansatzpunkt zu finden.

Diese Monographie verbindet ungewöhnliche Perspektiven aus verschiedenen Disziplinen, und ihre Methode und Ergebnisse können durchaus auch jenseits der Disziplin des Völkerrechts im engeren Sinne von Bedeutung sein. Mit dieser horizonterweiternden Publikation ist es dem Autor gelungen, Wiederholungen im Publikationsbereich zu vermeiden.


Martin Wolf

* Seitenzahlen der Zitate beziehen sich auf die Einleitung der Publikation.