Anna Geis in die Enquete-Kommission zum deutschen Engagement in Afghanistan berufen

Prof. Dr. Anna Geis, Alumna Fellow des Kollegs und Professorin für Politikwissenschaft an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg, wurde kürzlich in eine Bundeskommission mit dem Titel "Lehren aus Afghanistan für das künftige vernetzte Engagement Deutschlands" berufen. Die Kommission wurde erstmals im Juli dieses Jahres angekündigt und tagte am 19. September im Bundestag in Berlin.

Die Einsetzung der Enquete-Kommission fand vor Bundestagspräsidentin Bärbel Bas statt, wobei Michael Müller (SPD) zum Vorsitzenden und Serap Güler (CDU/CSU) zur stellvertretenden Vorsitzenden gewählt wurden. Geis, dessen Forschungsarbeiten am Zentrum eng mit dem Thema verbunden sind, wird in der Kommission als Teil einer Gruppe von zwölf Sachverständigen mitarbeiten, die zusammen mit zwölf Abgeordneten das Gremium bilden werden.

Kern des umfassenden Auftrags der Kommission ist eine gründliche und differenzierte Bewertung des militärischen und zivilen Engagements Deutschlands in Afghanistan zwischen 2002 und 2021, aus der Lehren für die künftige Außen- und Sicherheitspolitik gezogen werden sollen. Das Mandatsdokument enthält eine scheinbar erschöpfende Liste, wie die verschiedenen Untersuchungen ablaufen sollen und was betrachtet, berücksichtigt, hinterfragt und sogar in Frage gestellt werden soll.

Zu den Kernanliegen des Mandats gehört die Idee des "vernetzten Ansatzes", die bereits im Titel der Kommission anklingt. In einer Pressemitteilung des Deutschen Bundestages wird dieser Ansatz als "die Verzahnung von militärischen, polizeilichen, diplomatischen, entwicklungspolitischen und humanitären Instrumenten bei Einsätzen im Rahmen internationaler Friedensmissionen" beschrieben. Ob dieser Ansatz der richtige sei und wie das Zusammenspiel von militärischen und zivilen Maßnahmen im internationalen Krisenmanagement aussehen müsse, um erfolgreich zu sein", sei die Frage, die die Enquete-Kommission dem Bundestag im Laufe ihrer Untersuchung beantworten wolle, heißt es weiter.

Transparenz ist auch ein wichtiger Bestandteil des Mandats der Kommission. Das öffentliche Interesse daran, wie die deutschen Mittel während des Stabilisierungseinsatzes in Afghanistan eingesetzt wurden, ist ein zentraler Punkt, der angesprochen werden muss; trotz massiver Investitionen und sogar einiger früher militärischer Erfolge war das Endergebnis offensichtlich kein dauerhafter Frieden in dem Land.

Nach Abschluss einer intensiven Analyse- und Auswertungsphase (mindestens bis zum Ende der laufenden Legislaturperiode) soll die Kommission dem Bundestag ihre Ergebnisse vorlegen. Die aus der Analyse abgeleiteten Empfehlungen für künftige Einsätze sollen die Entscheidungsfindung des Landes in Bezug auf humanitäre Hilfe, Diplomatie und den Einsatz von militärischen und zivilen Ressourcen in künftigen Konfliktgebieten verbessern. Das Kolleg möchte Anna zu dieser folgenreichen Berufung gratulieren und wir freuen uns darauf, mehr über die Ergebnisse des Ausschusses zu erfahren, während die Untersuchung fortschreitet.


Prof. Dr. Anna Geis


Anna Geis ist seit 2016 Professorin für Politikwissenschaft an der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg und lehrt vor allem im Bereich der internationalen Sicherheits- und Konfliktforschung. Von Oktober 2021 bis September 2022 war Anna als Senior Research Fellow am Zentrum tätig und Mitglied der Forschungsgruppe 'Legitimation und Delegitimation in Global Cooperation'.


Projekt im Kolleg

20 Years of the US 'War on Terror' in Afghanistan. A Critical Review of Interventionist Practices and their Justification

Der Abzug der westlichen Truppen aus Afghanistan, die rasche Übernahme Afghanistans durch die Taliban, die erschreckenden Bilder vom Flughafen Kabul und die anhaltende humanitäre Notlage haben im Sommer 2021 zentrale Fragen westlicher Militärinterventionen wieder auf die politische Agenda gebracht. Nicht weniger als 20 Jahre militärisches und ziviles Engagement in Afghanistan erfordern eine selbstkritische Überprüfung und Bewertung des Einsatzes.

Afghanistan ist seit Beginn der militärischen Intervention im Rahmen des US-geführten "globalen Krieges gegen den Terror" im Jahr 2001 eines der dauerhaftesten Interventionsgebiete westlicher Truppen. Die Analyse der Interventionspraktiken westlicher Staaten, einschließlich ihrer Rechtfertigungen, ist der Schlüssel zum Verständnis liberaler Ordnungspraktiken. Der Westen und die "Internationale Gemeinschaft" haben beträchtliche materielle und immaterielle Ressourcen für Afghanistan eingesetzt, "harte" und "weiche" Macht ausgeübt: Truppen, ziviles Personal, Zeit, Geld, diplomatische Bemühungen, Vertrauen und Ansehen. Angesichts der aktuellen Situation bewerten viele Kritiker dieses Engagement heute als Desaster oder Misserfolg.

Unter Berücksichtigung der Eskalation im Jahr 2021 (die zu einer retrospektiven Neubewertung früherer Prozesse führen kann) sollen in diesem Projekt drei Varianten der "Legitimationspolitik" US-amerikanischer politischer Akteure hinsichtlich des militärischen Engagements und der diplomatischen Bemühungen um einen nachhaltigen Frieden analysiert werden:

(a) die US-Friedensverhandlungen mit den Taliban (2018-2020), von denen die gewählte afghanische Regierung ausgeschlossen war (de facto Anerkennung eines bewaffneten nichtstaatlichen Akteurs als legitim);

(b) der erneute Widerstand der US-Regierung gegen den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) unter Präsident Trump als Reaktion auf die Ermittlungen des IStGH zu Kriegsverbrechen in Afghanistan (verstärkter Ausdruck der Nichtanerkennung einer zentralen Institution der liberalen Weltordnung);

(c) kritische Überprüfungen des Afghanistan-Engagements/"gelernte Lektionen" in den USA/der NATO (Rechenschaftspflicht gegenüber dem heimischen Publikum und den NATO-Partnern).

Ressourcen

Lesen Sie die Pressemitteilung des Deutschen Bundestages.

Vollständiger Text des Mandats der Enquete-Kommission.

Weitere Fotos von der Einweihung.