EURODAC und die Politik der Feindschaft. Zur verkörperten Identität der Migration und die Biometrie der Grenze

3. Global Migration Lecture

 

Donnerstag, 4. Februar 2021 (17:30 Uhr, MEZ) | Online-Vorlesung

Mit EURODAC, der EU-weiten Datenbank, in der die Fingerabdrücke von AsylbewerberInnen und irregulären MigrantInnen zur Vermeidung mehrfacher Asylanträge in verschiedenen EU-Ländern („asylum shopping“) gespeichert sind, wurde ein zweifelhafter Meilenstein der technologisierten Erfassung von Migration in Europa gelegt. Denn das Verfahren etabliert laut Vassilis Tsianos ein biometrisches Migrationsmanagement, das die Flüchtigkeit des grenzüberschreitenden migrantischen Körpers lesbar macht und somit bewirkt, dass die Betroffenen den Grenzübertritt in Gestalt ihrer registrierten Fingerabdrücke ständig mit sich tragen und in einen Zustand dauerhafter Abschiebbarkeit versetzt werden. Diese digital deportability ist das Resultat einer kontrollpolitischen Verflüssigung der europäischen Grenze, entlang der die MigrantInnen und Geflüchteten nicht selbst, sondern die „verkörperte Identität der Migration“ als Summe ihrer „data doubles“ festgesetzt sind. EURODAC bildet so nicht nur ein technologisches Kontrollregime, sondern stellt jegliche Betroffene im Sinne einer Politik der Feindschaft unter Generalverdacht, dem sie durch allgegenwärtige biometrische Zuordnung schutzlos ausgeliefert sind.

Mit Vassilis Tsianos, Professor für Soziologische Grundlagen der Kindheitspädagogik, Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit der Fachhochschule Kiel

Kommentar:Stephan Scheel, Juniorprofessor Transnationale Kooperations- und Migrationsforschung, Institut für Soziologie, Universität Duisburg-Essen

Moderator: Volker Heins, Professor für Politikwissenschaft mit Schwerpunkt auf Politischer Theorie und Migrationsstudien, Institut für Politikwissenschaft, Universität Duisburg-Essen


Kooperationspartner

Programm