Die alltägliche Textpraxis internationaler Organisationen weckt falsche Erwartungen. Dokumente (wie Entschließungen oder Berichte) beginnen in der Regel mit einem abschreckenden Wiederholungsapparat - wo immer wir hinschauen, sehen wir Bestätigungen und Betonungen über die überragende Bedeutung dessen, was zuvor bereits "bekräftigt" und "betont" wurde. Dies deutet auf eine bestimmte Vorstellung von organisatorischen Pfaden hin, was auf eine anhaltende Stabilität hindeutet. Es ist rätselhaft, dass sich internationale Organisationen trotz dieses offensichtlichen textlichen Beweises tatsächlich verändern. Diese Beobachtung weist auf eine bemerkenswerte Diskrepanz zwischen institutionellem Output (textuelle Trägheit) und Outcome (organisatorischer Wandel) hin. Mit anderen Worten, Unternehmen passen sich Umweltveränderungen auch ohne sichtbare Reformen durch formale Rekonfigurationen an. Was wir beobachten, ist eine paradoxe "Veränderung durch Wiederholung". Wir argumentieren daher: Zeit wird zu einem kritischen Konzept in der Untersuchung internationaler Organisationen. In unserem Verständnis von Zeitlichkeit werden Rhythmen und die Produktion von Zeit zu wichtigen Elementen der Organisationspraxis, die wir rhythmische Governance nennen. Dementsprechend kann rhythmische Governance als eine reflexive Praxis der Erschaffung und Wiederherstellung der Gegenwart im Sinne einer kontinuierlichen und irgendwie rhythmischen Rückschau auf die Vergangenheit verstanden werden. Laufende Umlagerungen werden so unsichtbar gemacht. Wir werden einen Zeitraum von etwa zehn Jahren (seit Beginn der globalen "Finanzkrise") untersuchen und dabei die relevanten Institutionen, vor allem den Internationalen Währungsfonds, betrachten. Diese Fallauswahl basiert auf der Annahme, dass ein rhythmisches Oszillieren zwischen Wiederholung und Veränderung in ihren textlichen Darstellungen, d.h. Dokumenten, nachvollziehbar ist.
Stichworte Internationale Organisationen, Global Governance, Praxis, Wiederholung, Dokumente, intertextueller Institutionalismus, rhythmische Governance, Zeitlichkeit
Verwandte Publikationen Katja Freistein und Philip Liste (2012) Organisation-im-Kommen: Intertextualer Institutionalismus in der Analyse von Weltorganisationen. In Martin Koch (Hrsg.): Weltorganisationen. Wiesbaden: Springer VS, 71-100.