Da immer mehr populistische Parteien Regierungsverantwortung erlangen und ein immer breiteres Publikum für ihre Ansichten finden, scheint der Aufstieg des Populismus ein auffälliges, fast aufdringliches Phänomen zu sein. Dieser Anstieg ist besonders auf der Rechten zu beobachten und wurde nach der Wahl von Trump und dem Ergebnis des Brexit-Referendums noch deutlicher. Wie hier gezeigt werden soll, nutzen rechtspopulistische Akteure wie etwa die mit Trump involvierten die Symbolik, um ihre Orientierungen gegen die Globalisierung auf eine sehr spezifische und besonders eklektische Weise durchzusetzen. Insbesondere ist ihr Symbolgebrauch durch eine immer wiederkehrende Aneignung verschiedener nationalistischer Vergangenheiten gekennzeichnet. Dabei sind die verwendeten Symbole nicht wörtlich zu verstehen, sondern können sogar austauschbar sein. Letztlich dient die Symbolik als narratives Mittel, um ein dichotomes, antagonistisches Verhältnis zwischen dem "wahren Volk" und den "Eliten" herzustellen - wobei letztere (namentlich von Rechtspopulisten) als korrupt und böse dargestellt werden.
Bis heute wurden mehrere Nationen von rechtspopulistischen Regierungsführern geprägt, wobei die wohl prominentesten Jair Bolsonaro, Boris Johnson, Matteo Salvini und Donald Trump sind (dessen jüngste Wahlniederlage gegen Joe Biden und deren Auswirkungen auf den Rechtspopulismus hier diskutiert werden müssen). Trotz ihrer unterschiedlichen geografischen Verortung scheinen viele verschiedene populistische Bewegungen ähnliche Vokabulare und Repertoires zu teilen, mit denen sie versuchen, eine Rückbesinnung auf "die alten Zeiten" (d. h. auf nicht-globale, isolationistische nationalstaatliche Zeiten) zu erzeugen - ein sehr bekanntes Beispiel ist die weit verbreitete Verwendung der "[Land] zuerst"-Slogans, die sowohl auf einer symbolischen und emotionalen Ebene als auch auf einer vagen Vorstellungsebene funktionieren. Dahinter steht die Vorstellung eines 'heartland', ein für den Populismus zentrales Konzept, das einen romantisierten und damit rational nicht greifbaren Ort darstellt, der aus dem Gefühl einer besseren Vergangenheit rekonstruiert wird (Taggart 2000: 95). Die USA begannen mit ihrer Version der 'country first'-Slogans, als Woodrow Wilson während des Ersten Weltkriegs versuchte, einen Namen für seine protektionistische Politik zu finden und schließlich den Slogan 'America First' prägte (Rauchway 2016). Dies wurde zum Beispiel im britischen Kontext von der Brexit-Bewegung ("Britain first") sowie im italienischen Kontext, in dem Salvini den Slogan "Italiener zuerst" prägte, übernommen. Diese antiglobalistisch anmutende Parole hat vor allem eine narrative Funktion: Mittels emotionaler Mobilisierung soll eine Sehnsucht nach der Vergangenheit und ein 'Othering', also eine Abgrenzung einer Gruppe von den nicht näher spezifizierten 'Eliten' (die als sehr flexibles Feindbild dienen), erreicht werden. Zudem soll durch den Aufbau von "Eliten" als gemeinsames Feindbild, das irgendwie extern ist und nicht zum "wahren Volk" gehört, auch eine Solidarisierung der Rückwärtsgewandten erreicht werden.
Wie an den Beispielen Großbritanniens, Italiens und der USA zu sehen ist, scheinen verschiedene rechtspopulistische Bewegungen auf unterschiedliche Weise Eklektizismus zu betreiben. Dies führt zu einer Vielzahl von Aneignungen von Ideen, Erzählungen, Mythen, Bildern und so weiter, die etwas anderes als sich selbst repräsentieren und eine Haltung oder eine Reihe von Eindrücken hervorrufen, die (in der Vorstellung) mit einer Art von Symbol verbunden sind - dies legt nahe, dass Symbolismus in der populistischen Politik eine erhöhte Relevanz haben könnte (Edelman 1985: 6). Die deutsche rechtspopulistische Partei Alternative für Deutschland (AfD) führte auf ihrem Parteitag am 11. April 2021 eine kontroverse Debatte über die Frage, ob sie in ihrem Parteiprogramm den Austritt aus der Europäischen Union vorschlagen sollte oder nicht. Die Kontroverse drehte sich also darum, ob sie sich als rechtsnationale politische Gruppierung (implizit) zur Idee der europäischen Einheit bekennen sollten, indem sie keinen EU-Austritt vorschlagen. Der Parteivorsitzende Jörg Meuthen hatte sich für einen Verbleib in der EU ausgesprochen, was auf großen innerparteilichen Widerstand stieß und sogar dazu führte, dass viele Parteimitglieder erklärten, dass sie Meuthen nicht mehr für einen guten Parteivorsitzenden halten. Dies zeigt, dass die Abgrenzung der einen Gruppe von allen anderen nur symbolisch ist, da die AfD die EU als Feindbild aufbaut und sich dennoch keineswegs für einen tatsächlichen Austritt aus der EU einsetzt. Die AfD hat sich, wie viele andere rechtspopulistische Parteien im EU-Parlament, noch nicht festgelegt, in welcher Form sie sich auf EU-Ebene politisch engagieren will, um ihre Ideen der Antiglobalisierung und letztlich ihre Idee einer Rückbesinnung auf die Nationalstaaten als eine Art territorialen Mythos voranzutreiben (Kahn 2014: 224). Hinzu kommt, dass das europaskeptische EU-Parlamentsbündnis "Fraktion Identität und Demokratie" (ID) - von dem einige Mitglieder auch in der AfD sind - eine gemischte Agenda der Blockade, aber auch der gelegentlich konstruktiven Beteiligung an der täglichen Parlamentsarbeit zu verfolgen scheint. Dementsprechend scheinen rechtspopulistische Bewegungen eigentlich nicht wirklich daran interessiert zu sein, konstruktive Politik zu machen; stattdessen bleiben sie vage und versuchen eher, verklärte Vorstellungen zu evozieren. Auch hier wird deutlich, dass die Abgrenzung der eigenen Gruppe (d.h. der Nationalisten) von allen anderen Gruppen (d.h. den "Eliten" und Globalisten) einen explizit symbolischen Charakter hat. Wenn man die Verwendung von Symbolik bei verschiedenen Populisten bemerkt, könnte man die Frage aufwerfen, ob es eine Verbindung/Verflechtung zwischen der Symbolik verschiedener rechter Bewegungen gibt, die zur Förderung von Ideen der politischen und kulturellen Rückbesinnung verwendet werden, und wenn ja, wie genau sieht diese aus? Ein Blick auf den Tumult, der nach der US-Präsidentschaftswahl 2020 entstand, könnte bei der Beantwortung dieser Frage helfen.

Am 6. Januar wurde das US-Kapitol während eines gewalttätigen Aufruhrs von einer Gruppe von Demonstranten, viele von ihnen Donald Trump-Anhänger, gestürmt. Die Randalierer versuchten, Trumps Niederlage bei den Präsidentschaftswahlen 2020 zu kippen, indem sie die gemeinsame Sitzung des US-Kongresses störten, der sich versammelt hatte, um die Wahlmännerstimmen auszuzählen und anschließend den Sieg von Joe Biden zu bestätigen. Interessanterweise ist dies nicht das erste Mal, dass eine solche (gewaltsame) Anfechtung von Wahlergebnissen oder eine Erstürmung eines Regierungsgebäudes stattgefunden hat. Im Gegenteil, es gibt Dutzende ähnlicher Ereignisse, die von rechten Bewegungen initiiert wurden. Eines davon war die Erstürmung des spanischen Parlaments im Jahr 1981, als eine Gruppe von 200 bewaffneten Personen Abgeordnete als Geiseln nahm, um die Regierung zu stürzen, die gerade Tage zuvor demokratische Wahlen durchgeführt hatte. Sowohl bei diesem Beispiel als auch bei der jüngsten Erstürmung am 6. Januar war das Ziel, die "alte Ordnung" wiederherzustellen und die isolationistische Politik zurückzubringen. Es sollte jedoch erwähnt werden, dass es auch Ereignisse mit gegenteiligen Motiven gab, bei denen fortschrittliche Akteure eine rückwärtsgewandte Regierung oder ein rückwärtsgewandtes Regime modernisieren und demokratisieren wollten. Das vielleicht berühmteste Beispiel für eine vorwärtsgerichtete Anfechtung der Autorität einer Regierung/eines Regimes ist der Sturm auf die Bastille im Jahr 1789, der den Beginn der Französischen Revolution markierte. Hier hatten Zivilisten das eigentliche Symbol des Machtmissbrauchs und der Unterdrückung durch das Ancien Regime umzingelt und schließlich erobert. Dies zeigt, dass Proteste gegen die Regierung oder gar die Erstürmung von Regierungsgebäuden durchaus auch eine positive, pro-demokratische Rahmung haben können. Man könnte vermuten, dass diejenigen, die an der Erstürmung am 6. Januar beteiligt waren, auf dieser Rahmung aufbauten (in der Hoffnung, dass ihre Aktionen, auch wenn sie illegal sind, als gut gemeinte Bemühungen gesehen werden könnten, und somit hofften, dass das, was sie getan haben, legitimiert werden würde).
Wie an den Fällen der USA und Spaniens zu sehen ist, scheint die Infragestellung demokratischer Wahlen ein wiederkehrendes Thema unter rechten Bewegungen zu sein, allerdings war die Verwendung von Symbolik in den älteren Beispielen nicht so auffallend häufig und dicht, wie es jetzt der Fall ist. Trump-Unterstützer nutzten z. B. im Vorfeld und während der Wahl sehr ausgiebig den Slogan "Stop the Steal" (eine weitere leicht zu merkende symbolische Erzählung). Das Ziel der Verwendung dieses speziellen Slogans war eindeutig die De-Legitimation der Wahl selbst. Die Ergebnisse einer Wahl nicht nur in Frage zu stellen, sondern sie auch als "Diebstahl" zu bezeichnen und damit implizit und symbolisch diejenigen zu kriminalisieren, die die Wahl gewonnen haben, kann als ein ziemlich schwerwiegender Verstoß gegen eines der Grundprinzipien demokratischer Prozesse gesehen werden, nämlich die Anerkennung der Mehrheit der Stimmen durch jeden Akteur (einschließlich derjenigen, die die Wahl verloren haben). Die Nutzer dieses Slogans de-legitimieren jedoch nicht nur die Wahl und ihre Ergebnisse, sondern legitimieren auch die Erstürmung des Kapitols: Angesichts des "Diebstahls" (durch die "Anderen", insbesondere die Demokratische Partei und ihre Akteure) erscheint die Erstürmung und Vandalisierung eines Regierungsgebäudes selbst vielleicht gar nicht mehr so kriminell - zumindest erhoffen sich das die an den Ereignissen am 6. Januar Beteiligten. Durch die gleichzeitige Deklaration der Demokratischen Partei als "Partei der Eliten" und die Verklärung Trumps (trotz seines Status als Milliardär) als "Stimme der kleinen Leute" scheint die Erstürmung zudem auf einer symbolischen und emotionalen Ebene weiter legitimiert und gerechtfertigt zu werden. Besonders interessant an der Erstürmung am 6. Januar: Ein großer Teil der Randalierer trug Konföderiertenflaggen und hatte außergewöhnlich lange Bärte, was insgesamt den Eindruck einer Südstaaten-Hillbilly-Ästhetik hervorrief. Berüchtigt unter bzw. an der Spitze der Randalierer am US-Kapitol war der Verschwörungstheoretiker und fanatische Trump-Anhänger Jake Angeli, der seitdem im Fokus der Medien steht.
Angeli verkörpert im wörtlichen Sinne eine Art von symbolischer politischer Rückwärtsgewandtheit, die in den letzten Jahren mit den relativ neu aufkommenden rechtspopulistischen Führern wie Johnson, Salvini und Trump immer deutlicher spürbar wurde. In Anbetracht dieser sehr einflussreichen Regierungsführer, die nicht nur die politische Kultur ihres Landes geprägt haben, sondern auch Auswirkungen auf den Rest der Welt haben, stellt sich eine Frage: Was macht den speziellen Fall von Jake Angeli (der leicht als ein weiterer Verschwörungstheoretiker abgetan werden könnte, der versucht, die Autorität der Regierung zu untergraben) so interessant und auch besonders alarmierend? In vielerlei Hinsicht kann Angelis Einzelfall als eine Extrapolation für das Verständnis der strategisch eingesetzten Symbolik rechter politischer Bewegungen im Allgemeinen verwendet werden. Die Vielfalt, mit der Symbolik in der Politik eingesetzt wird, hat in den letzten Jahren zugenommen, was dazu führt, dass verschiedene Formen der Symbolik miteinander vermischt und verwoben werden (Kahn 2014: 221). Im Fall von Angeli lässt sich diese Verflechtung der Symbolik allein durch die Betrachtung seines Erscheinungsbildes (siehe Foto) erfassen: Zunächst sieht man drei wesentliche Symbole der nordischen Mythologie, nämlich die Walküre (die mit Kampf und Tod assoziiert wird), Yggdrasil (der Baum des Lebens) und Mjolnir (als göttliche Waffe). Hinzu kommt, dass Angelis Aussehen auch dem eines Wikingers ähnelt und mit seiner heidnischen, barbarisch anmutenden Kleidung, die aus Fell und einem gehörnten Helm besteht, einen sehr archaischen Klang hat (was wahrscheinlich der Grund ist, warum er auch als "Schamane" oder "Bisonmann" bezeichnet wird). Abgesehen von dieser "barbarischen" Kleidung hat Angeli ein Mauerwerk-Tattoo auf dem Arm (in Anspielung auf die "Trump-Mauer"), mit dem einmal mehr isolationistische Orientierungen zur Schau gestellt werden.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass rechtspopulistische Bewegungen und Akteure ihre Vorstellungen von Antiglobalisierung (sowie Anti-Establishment/Eliten) und Rückbesinnung in einer sehr verflochtenen und etwas diffusen, aber bewussten und keineswegs zufälligen Art und Weise vorantreiben - sowohl anti-global (z.B. "America first", sowie Gruppen wie die ID, die teilweise versuchen, die parlamentarische Arbeit im EU-Parlament zu blockieren) und global (z.B. Aneignung der nordischen Mythologie im Kontext von amerikanischem Patriotismus/Nationalismus im Fall von Jake Angeli, sowie anti-globale Parteien, die überhaupt im EU-Parlament sitzen). Insgesamt ist die Art und Weise, wie Symbolik von diesen Akteuren verwendet wird, durch ein hohes Maß an Vielfalt, Varianz und Verflechtung gekennzeichnet. Schließlich haben die vorliegenden Beispiele auch gezeigt, dass der Symbolgebrauch der Rechtspopulisten und ihre Strategien der Vermittlung von (politischen) Botschaften durch eine generelle Unschärfe und Verklärung der Vergangenheit gekennzeichnet sind. Daraus wiederum folgt, dass die Symbolik nicht so ernst genommen werden sollte - gerade weil sie vage, eklektisch und deshalb letztlich austauschbar ist.
Referenzen
Edelman, M. (1985). The Symbolic Uses of Politics. Champaign: University of Illinois Press.
Kahn, Sylvain (2014). ‘The nation-state as a territorial myth of European construction’. L'Espace géographique, 43(3): 240-250.
Rauchway, Eric (2016). 'How "America First" Got Its Nationalistic Edge'. The Atlantic, verfügbar unter: https://www.theatlantic.com/politics/archive/2016/05/william-randolph-hearst-gave-america-first-its-nationalist-edge/481497/. Datum des letzten Zugriffs: 13.07.2021
Taggart, P. A. (2000). Populism. Buckingham und Philadelphia: Open University Press.
Autor
Serkan Topal ist Student der Soziologie an der Universität Duisburg-Essen mit Forschungsinteressen in den Bereichen Wirtschaftssoziologie und soziologische Theorie.
Kontakt:
serkan.topal@stud.uni-due.de.
zum Thema

Freistein, Katja and Gadinger, Frank. (2020). 'Populist Stories of Honest Men and Proud Mothers: A Visual Narrative Analysis'. Review of International Studies,46(2), 217–236.
Contact
Communications Team
Bei Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Wenn Sie einen Meinungsbeitrag verfassen möchten, schreiben Sie bitte eine E-Mail an
communications@gcr21.uni-due.de. Wir freuen uns darauf, von Ihnen zu hören.