Politisches, öffentliches Leben braucht Präsentation und Exposition, um zu leben, um diskussions- und konfliktfähig zu sein und um weiteres politisches Handeln zu initiieren. Bilder und visuelle Inszenierungen übernehmen in der heutigen Zeit oft die Rolle, Präsenz zu schaffen, zu vermitteln, Gegenpositionen zu setzen und politische Vorstellungen auf vielfältige Weise zum Ausdruck zu bringen. In diesem Zusammenhang ist das Zeigen von Gesichtern und Körpern besonders wichtig, um ein möglichst breites Publikum anzusprechen. Im Spannungsverhältnis zu dieser Rolle der visuellen Kreationen, die das Universelle und das Partikulare immer wieder auf einzigartige und neue Weise verbinden, steht die Tatsache, dass das Universelle seit etwa den 1960er Jahren keinen leichten Stand hat. Es wird dekonstruiert, ihm wird vorgeworfen, Macht- und Herrschaftsformen verschiedener Art zu legitimieren und Ansichten gleichsam mit Gewalt durchzusetzen. Das Besondere, sogar das Singuläre, wird in den Vordergrund gestellt oder gar gefeiert.
Der Vortrag präsentierte eine Genealogie und Ikonologie visueller Darstellungen, die versuchen, "alle" anzusprechen. Es wurden sowohl lange Traditionslinien als auch Brüche und Transformationen vorgestellt. Besonderes Augenmerk lag auf der Rolle visueller Repräsentationen in der heutigen Gesellschaft. Diese ist gekennzeichnet durch die Vervielfältigung politischer Agenten der Bildverwendung und -verbreitung, etwa in neuen sozialen Netzwerken und populistischen Parteien, in denen bestimmte partikular-universelle Konstruktionen des Volkes gegen eine Elite in Stellung gebracht werden. Bilder und visuelle Darstellungen kommen als Medien zur Erzeugung von Resonanz und zur Vermittlung von Begehren und Hass in den Blick.

Anna Schober ist Professorin für Visuelle Kultur an der Universität Klagenfurt. Sie studierte Geschichte, Kunstgeschichte und politische Theorie in Wien, Frankfurt am Main und Colchester/UK. Sie war Stipendiatin an verschiedenen wissenschaftlichen Einrichtungen wie dem IFK (Internationales Forschungszentrum für Kulturwissenschaften) Wien, dem Centre for Theoretical Studies in the Humanities and Social Sciences, University of Essex, Colchester, der Jan Van Eyck Academy in Maastricht, dem Künstlerhaus Büchsenhausen in Innsbruck, Gastprofessorin an der Universität Verona und Mercator-Gastprofessorin am Institut für Soziologie der Universität Gießen. Hauptpublikationen sind: Ironie, Montage, Verfremdung: Ästhetische Taktiken und die politische Gestalt der Demokratie (2009), The Cinema Makers: Public life and the exhibition of difference in south-eastern and central Europe since the 1960s (2013) und Popularisation and Populism in the Visual Arts: Attraction Images, London und New York: Routledge (Arts and Visual Culture Series) 2019 (Herausgeber). | Profilseite (Universität Klagenfurt)
Schedule of this event
1800 CET | Einführung Prof. Dr. Lauren Eastwood |
1810 - 1900 | 49th Käte Hamburger Lecture Facing Everybody: Political Popularization and Populism in Post-universalist Times Prof. Dr Anna Schober-De Graaf, Universität Klagenfurt Moderatorin: Prof. Dr. Lauren Eastwood, KHK/GCR21 Kommentar: Prof. Dr. Nicole Doerr, University of Copenhagen |
1900 - 1930 | Q&A with the audience |
19:30 | Abschließende Bemerkungen und Ende der Veranstaltung |
Figures of the ‘Everybody’
In einem kurzfristig anberaumten Workshop, der vor der Lecture stattfindet, werden Profs. Anna Schober und Nicole Doerr mit einer Gruppe aktueller Fellows des Kollegs diskutieren. Im Mittelpunkt dieser Diskussion steht ein Artikel von Anna Schober, veröffentlicht in Redescriptions, einer Zeitschrift für politisches Denken, Begriffsgeschichte und feministische Theorie:
Zum Thema
Dieses Buch untersucht die bildlichen Figurationen, ästhetischen Stile und visuellen Taktiken, mit denen visuelle Kunst und Populärkultur versuchen, "uns alle" anzusprechen. Eine Schlüsselfigur, die diese Praktiken ins Spiel bringen - der "Jedermann" (der für "uns alle" steht und manchmal ein "neuer Mann" oder eine "neue Frau" ist) - wird interdisziplinär mit Wissenschaftlern aus mehreren europäischen Ländern diskutiert.