Essen - 25. September 2014
Die Grenze zwischen Künstler und Publikum aufheben und das Verhältnis von Kunst, Demokratie und Partizipation neu bestimmen – das ist das Ziel von Jochen Gerz. Am 25. September war der Konzeptkünstler am Kulturwissenschaftlichen Institut (KWI) zu Gast, um mit Claus Leggewie und dem Publikum über sein aktuelles Bochumer Projekt "Platz des europäischen Versprechens" zu diskutieren. Gerz, der von Volker Heins in Zusammenarbeit mit dem Käte Hamburger Kolleg / Global Cooperation Research Centre eingeladen worden war, ist in Deutschland vor allem durch Aufsehen erregende Installationen im öffentlichen Raum bekannt.
Dazu gehören etwa das zusammen mit Esther Shalev konzipierte Mahnmal gegen den Faschismus in Hamburg, das Mahnmal gegen Rassismus in Saarbrücken oder der Platz der Grundrechte in Karlsruhe. Nach einem Vortrag zu seinem Kunstwerk in Bochum diskutierte Gerz mit dem Publikum über die Rolle von Kunst im öffentlichen Raum: Wie geht der Künstler damit um, dass seine Werke nicht "sicher" im Museum aufgehoben, sondern eben in der Öffentlichkeit und damit dem Wechselspiel der Tagespolitik ausgesetzt sind? Gerz machte klar, dass er diesen Aspekt sehr ernst nimmt. In Graz beispielsweise ist von der FPÖ gegen den Widerstand aus der Bevölkerung beschlossen worden, die NS-Mahntafeln seines Projekts "63 Jahre danach" abzumontieren. Gleichwohl sieht der Künstler keine Alternative im Rückzug der Kunst aus der Öffentlichkeit: "Das wäre ja noch schöner, wenn die Kunst nur noch herumdümpeln würde." Gerade bei den Erfahrungen mit dem Platz des Europäischen Versprechens in Bochum wurde die Faszination des Künstlers und des Publikums spürbar, die von der Vorstellung ausgeht, tausende Namen Lebender an einem öffentlichen, stark frequentierten Platz festzuhalten. Denn automatisch drängt sich bei dem Gedanken an die "in Stein gemeißelten" Namen die Projektion in die Zukunft auf. Sie werden auch dann noch dort stehen, wenn diejenigen, die Europa hier ihr geheimes Versprechen gegeben haben, nicht mehr leben. Am Ende blieb die Frage offen, was dann aus Europa geworden sein wird.
Zeit: 19.00–20.30 h
Ort: Gartensaal des KWI, Goethstr. 31, 45128 Essen