Essen, 22. November 2016
Zum Auftakt der Vorlesungsreihe "Großerzählungen des Extremen" haben die beiden Experten Thomas Pfeiffer und Daniel-Pascal Zorn das Konzept des "Ethnopluralismus" vorgestellt, dass sich als Narrativ der "Neuen Rechte" mittlerweile bishin zur rechtsextremen Szene als Diskurs durchsetzt. Ein Narrativ, dass globale Strukturen infrage stellt und die kulturellen Voraussetzungen für Kooperation untergräbt. Gemeinsam organisiert mit dem Kulturwissenschaftlichen Institut Essen (KWI), ist das Ziel dieser Veranstaltungsreihe diskursive und praktische Radikalisierungen verschiedener Art zu analysieren.
Wie das Narrativ des Ethnopluralismus funktioniert und sich historisch entwickelt hat, erklärte Philosoph Zorn in seinem Vortrag. Im Kern umfasst er einen ausgrenzenden Nationalismus, der mit fremdenfeindlichem – mitunter explizit rassistischem – Denken verbunden ist. Dem eigenen Anspruch nach, gehen Vertreter des Konzepts nicht von einer Höher- oder Minderwertigkeit ethnischer Gruppen aus, fordern aber ethnisch homogene Einheiten und behaupten, Berührungen und Vermischungen ethnischer Gruppen bedrohten Qualität und Bestand des Gemeinwesens. Entsprechende Akteure wie die "Identitäre Bewegung" bestreiten, fremdenfeindliche Haltungen zu vertreten. Vielmehr nehmen sie humanitäre Motive in Anspruch, da nur in einer ethnisch homogenen Umgebung der Einzelne tatsächliche Identität finde.
Daran anschließend zeigte Verfassungsschützer Pfeiffer an praktischen Beispielen, wie sich die Verschleierungstaktik des Ethnopluralismus gegenüber bisherigen Diskursen als strategisch überlegen durchsetzt. In Abgrenzung zum unreflektiertem nationalistischem Diskurs, beansprucht das Narrativ des Ethnopluralismus eine Normalität, die gefährlich ist. Im Anschluss beschäftigte die TeilnehmerInnen vor allem die Frage, wie man solch einer Erzählung erfolgreich begegnen kann.
Referenten:
Thomas Pfeiffer, Sozialwissenschaftler an der Ruhr-Universität Bochum, Verfassungsschutz NRW
Daniel-Pascal Zorn, Philosoph, Historiker und Literaturwissenschaftler
Leitung:
Jennifer Schellhöh (KWI)
Zur Veranstaltungsreihe "Großerzählungen des Extremen":
Extremisten jeglicher Fasson sind wieder in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt. Radikalisierung untergräbt dabei die kulturellen Voraussetzungen für Kommunikation und Kooperation. In der Veranstaltungsreihe sollen vor allem Denkfiguren und Rhetoriken, Symboliken und Handlungsweisen erfasst werden, die Menschen dazu bewegen können, sich einer solchen Weltsicht anzuschließen und sich in ihr einzurichten (d. h. auch: sie als ihre eigene zu verteidigen). Dazu sollen verschiedene Perspektiven bzw. Diskurse vorgestellt und ihre inneren Logiken, Funktionen und Wirkungsweisen aufgezeigt werden. An vier Abenden kommen ExpertInnen nach kurzen Referaten mit den BersucherInnen ins Gespräch über die Strategien von ExtremistInnen und die Frage, warum Menschen solche radikalisierten Weltbilder übernehmen.
Datum: 22. November 2016, 19:00-21:00 h
Ort: Kulturwissenschaftliches Instituts Essen (KWI), Gartensaal, Goethestraße 31 45128 Essen