Wie werden kollektive Landrechte im Zeitalter der kapitalistischen Wirtschaft konzeptualisiert, umgesetzt und ausgeübt? Können sie lokale Gemeinschaften vor den zerstörerischen Auswirkungen des freien Marktes schützen? Wie navigieren staatliche Bürokratien und Gesetzgebungen sowie Landnutzer zwischen der Verantwortung für gemeinsame Ressourcenpools und den Vorteilen des privaten Marktes? Der Workshop behandelt das Thema in einer breiten geografischen und historischen Perspektive, indem er sich auf transnationale Aktivitäten von Experten, transnationalen/internationalen Organisationen, sozialen Aktivisten und lokalen Akteuren konzentriert.
Der Workshop stützt sich auf mehrere Forschungsperspektiven. Im Mittelpunkt der jüngsten Untersuchungen zu kollektiven Landrechten (und kollektiven Eigentumsrechten im Allgemeinen) steht die Theorie der gemeinsamen Ressourcen (Common Pool Resource Theory, CPR). Ihre zentralen Themen sind die Allmende, die Gemeinschaften, die sie besitzen (z. B. Dorfbauern), und die Nachhaltigkeit der gemeinschaftlichen Ressourcennutzung. Während die Nachhaltigkeit traditionell als unvereinbar mit der Kommerzialisierung angesehen wurde, hat sich die neuere Forschung der Rolle des Marktes und des Staates bei der Gestaltung der Nutzung von Allmenden und der Eigentumsrechte zugewandt. Ein weiteres Forschungsfeld ist die globale Ausbreitung des liberalen Eigentumsregimes und seine Auswirkungen auf agrarische Lebenswelten seit den 1990er Jahren. Hier hat sich die Forschung von der politischen Sorge um fragile ländliche Gesellschaften, einschließlich indigener Gemeinschaften, vor allem in postkolonialen und postsozialistischen Kontexten, sowie von der Sicherung des Landbesitzes angesichts des globalen "Landgrabbing" leiten lassen. Während Wissenschaftler in den 1990er Jahren das Mittel zur Lösung in individuellen Landtiteln gefunden zu haben schienen, haben die 2000er Jahre Zweifel an der Effizienz der Formalisierung von Eigentumsrechten durch Titulierung aufkommen lassen und sich der Erforschung gewohnheitsrechtlicher Besitzsysteme auf der Grundlage von Gemeinschaftseigentum zugewandt.
Organizer & Moderator: Borbala Zsuzsanna Török

Borbala Zsuzsanna Török ist ehemalige Senior Fellow am Käte Hamburger Kolleg/Centre for Global Cooperation Research (KHK/GCR21) an der Universität Duisburg-Essen und Senior Researcher und Leiterin des Forschungsprojekts "Uses of civil justice and social policy in the Habsburg Monarchy, 1873 - 1914" (Österreichischer Forschungsfonds) an der Universität Wien. Zu ihren Forschungsgebieten gehören die Staatswissenschaften und die Statistik, die verflochtene Geschichte der ostmitteleuropäischen Gelehrsamkeit und Soziabilität, die soziokulturelle Geschichte der Zivilrechtsreformen in der Habsburgermonarchie und in jüngerer Zeit die Geschichte der Commons. Zu ihren Monographien gehören Exploring Transylvania. Geographies of Knowledge and Entangled Histories of a Multiethnic Province, 1790 - 1914 (Brill Publishers, Leiden, 2015) und Statistik as State Building in the Habsburg Monarchy, ca. 1790-1880 (Berghahn Books, erscheint 2023).
Der Workshop konzentriert sich auf kollektive Landrechte als gemeinsames Thema dieser sich überschneidenden Bereiche, wobei die historische Tatsache berücksichtigt wird, dass die Befürwortung kollektiver Eigentumsrechte als Korrektiv zur zerstörerischen Kraft des Kapitalismus so alt ist wie die kapitalistische Wirtschaft selbst. Jahrhundert transnationale Debatten über "kollektive Eigentumsrechte" und sogar deren selektive Umsetzung im Rahmen der Sozialschutzpolitik. Sowohl die Rechtsgelehrten des 19. Jahrhunderts als auch ihre Kollegen von heute waren sich der Gefahren bewusst, die sich aus der Einschließung von Grund und Boden im Zuge der kapitalistischen Transformation ergaben - eine Sorge, die auch in der heutigen soziologischen Literatur mitschwingt, sei sie nun von der CPR inspiriert oder auf den Erwerb von Großgrundbesitz ausgerichtet.
Wir sind auf der Suche nach einem historischen und transnationalen Sinn für kollektive Landrechte. Was haben die Entwicklungen des 19. Jahrhunderts mit dem politischen und intellektuellen Diskurs über kollektive Eigentumsrechte am Ende des 20. Jahrhunderts im Rahmen der Entkolonialisierung und der Anerkennung indigener Rechte und der Steuerung des Klimawandels gemeinsam? In der Tat gibt es heute ein wachsendes Wissen über internationale und staatliche Strategien (und deren Scheitern) sowie über Basisbewegungen für alternative Land- (und Eigentums-)rechte. In welchem Verhältnis stehen sie zueinander in der vernetzten öffentlichen Sphäre? Lassen sie sich als Teil eines transnationalen Phänomens begreifen?
Wenn Sie an einer Teilnahme interessiert sind, wenden Sie sich bitte an events@gcr21.uni-due.de.
Keynote: The Commons State. A Plea for a Comprehensive Concept of Historical Commons Based on Swiss History
Daniel Schläppi, Berne
24. November, 17 - 18:30 Uhr (MEZ)
Die Schweizer Geschichte ist geprägt von einer starken Tradition und Kultur des Gemeinsamen von den Anfängen bis in die Gegenwart. Seit dem Mittelalter entwickelte sich ein komplexes Netz von Bündnissen zwischen den Schweizer Kantonen, die zum Zweck der Friedenssicherung zusammenarbeiteten. Die Verbündeten unterstützten sich gegenseitig militärisch und einigten sich auf spezifische Schlichtungsverfahren zur Konfliktmediation. Im Laufe der Jahrhunderte wuchs das fragile Gebilde zusammen. Obwohl jeder der 13 Kantone ein eigenständiger Staat war, begannen sie 1415, gemeinsam Untertanengebiete zu erobern, die trotz konfessioneller Spaltung als gemeinsames Eigentum verwaltet wurden.
Im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts übernahmen die Gemeinden immer mehr Aufgaben des Staates auf eigene Kosten (z.B. Marktregulierung, Feuerwehr, Unterhalt der Infrastruktur, Einwohnermeldeamt und Sozialeinrichtungen). In der Folge basierten wichtige Verwaltungsaufgaben und "öffentliche Dienstleistungen" auf kollektiven Ressourcen, und Gemeinden und Körperschaften erledigten ihre Agenden selbständig. Das Schweizer Modell kann als ein perfektes Beispiel für die "Ko-Produktion von Staatlichkeit" angesehen werden, als ein "Commons-Staat", der eher von unten nach oben als von oben nach unten aufgebaut wurde.
Das politische System der Schweiz blieb dank verschiedener Formen der Umverteilung zugunsten der vollwertigen Mitglieder der Gemeinschaften über Jahrhunderte stabil. Einige sehr alte Institutionen haben sogar bis ins 21. Jahrhundert überlebt.
Daniel Schläppi, promovierte in Schweizer Geschichte und ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Historischen Institut der Universität Bern. Neben seiner Tätigkeit als freischaffender Historiker, Archivar und Universitätsdozent hat er in den letzten dreißig Jahren viel über historische Commons geforscht. Seine Dissertation aus dem Jahr 2000 befasste sich mit der sogenannten Zunftgesellschaft zu Schmieden in Bern aus dem Spätmittelalter. Im Jahr 2006 schrieb er ein Buch über die Zunftgesellschaft zu Metzgern in Bern. Im Jahr 2009 initiierte er ein SNF-Forschungsprojekt zum Thema "Gemeineigentum, kollektive Ressourcen und die politische Kultur der Alten Eidgenossenschaft (17. und 18. Jahrhundert)". Neben zahlreichen Artikeln zu kollektiven Ressourcen und historischen Gemeingütern veröffentlichte er die Bände "Die Ökonomie sozialer Beziehungen" (zusammen mit G. Jancke, 2015) und "Von der Allmende zur Share Economy" (zusammen mit M. Gruber, 2018) sowie den vielbeachteten Aufsatz "Die Eid-Genossenschaft". Von 2020 bis 2021 arbeitete er an einem 'SNF-Spark-Projekt' mit dem Titel 'The commons state. Der Einfluss von Genossenschaften auf die Staatsbildung am Beispiel der Schweiz". Daniel Schlaeppi ist auch als international bekannter Musiker tätig.